Ich wusste nicht, dass heute der hundertste Tag meines Londonaufenthalts ist. Hätte ich das gewusst, hätte ich etwas Besonderes getan.
Aber da ich es nicht wusste, konnte ich in Ruhe meinen freien Tag genießen.
Ich musste einer Designerin (aus Österreich) zuhören, wie sie sich über die Ausbeuterei in der Modebranche aufregte und dabei ständig sagte: „Aber so ist das nun mal.“
Und ich hab mir gedacht: „Wegen Menschen wie dir ist die Welt so, wie sie ist. Menschen, die sagen, dass es halt so ist und man nichts ändern kann.“
Dann hab ich mir gedacht: „Philipp, heute ist dein freier Tag, gönn dir was.“
Und ich hab mir die Freiheit genommen zu gehen.
(Ich hab noch in der Garderobe in ihre Schuhe gespuckt. Um ihr zu zeigen, dass man doch was ändern kann.)
philosophil - 27. Jan, 23:01
Arbeit. Heute hab ich nicht die ganze Zeit im Keller hinter dem Herd verbracht. Ich durfte nach oben und hab Cappuccini, Melangois, Lattois, Espressois und heiße Schokoladen gebraut.
Ich hab nicht nur über die Mehrzahl von Kaffeemixturen nachgedacht, sondern auch versucht den Ort mit menschlicher Wärme zu füllen.
Vergeblich. Diese Engländer sind kalt wie,… naja kalt eben. Aber die Kinder sind cool. Irgendwas läuft in diesem Land. Ich weiß noch nicht was.
philosophil - 27. Jan, 23:00
Zur Zeit findet in London das alljährliche Mime Festival statt. Als Mime Student muss man da fast hingehen.
Ich hab meine Pflicht getan und hab mir die koreanische Bearbeitung von Woyzek angeschaut.
ÖÖÖÖÖÖÖÖÖd.ÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖd.ÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖd.
Ich hab mich gefühlt wie in einem Gottesdienst.
Nachher hab ich alles in Frage gestellt. Mein Studium, meine Zukunftspläne, mein Leben.
Bloody Hell.
Ein kleiner Umtrunk hielt uns davon ab in eine kollektive Depression zu fallen.
(Damit will ich nicht sagen, dass wir unsere Probleme mit Alkohol lösen sollen. Oder können. Oder müssen. Oder dürfen.)
philosophil - 27. Jan, 22:59
Ich versuch in meinem Leben Zufälle zu planen. Dies klingt nicht nur nach einem Widerspruch, das ist auch einer.
Aber so wie das Leben halt so ist, funktioniert es.
Wie geht das?
Man nehme sich einen halben Tag frei und gehe an irgendeinen Ort und schaut was passiert.
Ich muss zugeben, ich hatte eigentlich was vor, aber es ist nichts draus geworden. Ich hatte ein Date. So glaub ich zumindest. (Wer kennt schon genau die Grenze zwischen einem Treffen und einem Date. Eigentlich weiß ich es schon, aber in diesem Fall nicht. Sie ist krank geworden. Insofern hab ich immer noch keine Antwort.
Ad Date. Ich verlier jetzt keine Zeit mehr mit Respekt vor blablabla. Ich verschwend nicht mal mehr Zeit mit darüber schreiben.)
Zurück zum Zufall.
Ich geh also plan- und ziellos durch die Stadt, bin versehentlich ins Kings College eingestiegen (klingt jetzt schlimmer als es ist) und sehe, dass zwei Türen weiter die Eröffnung einer Kunstausstellung stattfindet. Von Kunststudenten.
So etwas kann ich jedem nur ans Herz legen.
1. Kunststudentinnen sind meist ausgesprochen hübsch. Date hin oder her.
2. Manchmal sind sie auch ein wenig blöd. („I like this picture – it’s so red.“)
3. Kunststudenten sind einfach köstlich. 19 Jährige, die sich wie 50 Jährige exzentrische Künstler anziehen und dabei die Selbstsicherheit von 16 Jährigen vor dem ersten Date haben. Nämlich keine.
4. Man trifft interessante Menschen.
Dennoch hab ich mich am Ende etwas einsam gefühlt.
philosophil - 27. Jan, 22:58